Es gibt noch andere Werte als die Arbeit
Ein Artikel von Markus Hofer
Männer sterben im Schnitt immer noch sechs Jahre vor den Frauen und diese Tatsache hat zweifellos auch damit zu tun, wie Männer ihr Mannsein leben. Fit sein ist das eine, heil sein im spirituellen Sinn das andere. Die Vision des achtzigjährigen, hochpotenten Waschbrettbauchs verdeckt die wahren Freuden und Hoffnungen der Männer von heute ebenso wie ihre Trauer und ihre Ängste. “ Gesundheit“ in einem ganzheitlichen Sinn kann sich nicht auf die Angebote der Gesundheitsindustrie beschränken. Fit sein ist das eine, heil sein im spirituellen Sinn das andere. Man kann vor den eigene Problemen auch davonjoggen.
Entscheidende Fragen
Männer müssen sich vermehrt den entscheidenden Fragen ihres Lebens
stellen:
- Was ist mir wirklich wichtig?
- Welche Werte gelten für mich in meinem Leben?
- Woran möchte ich mich orientieren und was sind meine wahren Ziele?
- Was kommt vor dem anderen?
- Was sind meine persönlichen Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte?
Das Leben ist kein Selbstbedienungsladen und schon gar nicht eine Einrichtung mit Glücksgarantie. Ebenso steht nirgends geschrieben, dass das Leben gerecht sei. Darum braucht es auch einen guten Umgang mit den Verletzungen, die das Leben mit sich bringt. Männer tendieren schnell dazu, das Leiden erklären oder reparieren zu wollen. Oft ist Wut dann nichts anderes als die ungelebte Trauer. Männer müssen sich spätestens Richtung Lebensmitte auch dem ungelebten Leben stellen und den eigenen Grenzen.
Rückzugsorte tun gut
Franz von Assisi hat alle Höhen und Tiefschläge eines Männerlebens fast exemplarisch durchlebt. Damit ihm das Feuer nicht ausgeht, hat er sich zwischendurch immer wieder in seine Einsiedeleien zurück gezogen, um ganz bei sich und bei Gott zu sein, um sich den brennenden Fragen zu stellen.
Solche “ Einsiedeleien“ könnten auch für Männer heute etwas Heilsames sein, solche Rückzugsorte würden ihnen auch heute gut tun. Männer rackern sich ab für alles, für den Beruf, die Familie, den Verein, das eigene Ansehen. Doch wer ständig nur fährt, dem geht irgendwann das Benzin aus. Wer immer nur gibt, wird irgendwann leer. Wer immer nur feuert, ist irgendwann verbrannt. Männer gehen oft sehr sorglos mit sich selber um. Was sie bräuchten, ist weniger Viagra, Hormone oder
Sportprogramme, sondern vielmehr Orte, an denen sie zu sich selber kommen.
Fahren und Tanken, Bewegung und Ruhe gehören zusammen. Wer ständig nur tankt ohne zu fahren, ist süchtig. Er säuft und säuft, sei es Bewunderung, Alkohol oder was immer. Und er kommt nicht vom Fleck. Wer ständig nur fährt ohne zu tanken, brennt aus, läuft leer und geht kaputt. Irgendwann macht der Motor, das Herz, nicht mehr mit. Die großen Tankstellen auf italienischen Autobahnen heißen “ area di servizio“ .
Hier wird nicht nur getankt, sondern sie sind da zum Ausruhen, Energie und Kraft holen. Hier kann man abladen und Dinge los werden, sich erfrischen und Nahrung zu sich nehmen. Bei der Gelegenheit kann man auch einen Blick auf die Landkarte werfen, sich neu orientieren, oder überhaupt sich wieder einmal fragen: Wohin will ich überhaupt? Sonst geht es einem wie Qualtingers “ Wilden mit seiner Maschin“ : “ Ich weiß zwar nicht, wohin ich will, dafür aber bin ich schneller dort.“
Auf sich selber schauen
Hier gilt es zuerst einmal Männer dahin zu bringen, dass sie besser auf sich selber schauen, dass sie sich um Ruhe und Erholung kümmern, dass sie sich Inseln im Alltag schaffen, wo sie für sich und bei sich sind, dass sie sich - wie im Sport - Auszeit nehmen. Eine Portion fröhliche Verweigerung am richtigen Ort könnte gerade für Männer ein Überlebensmittel sein.
Zunehmend mehr Männer genießen diese Inseln im Alltag, wo die sozialen und beruflichen Rollen, die alltäglichen Zwänge und der Konkurrenzkampf vor der Tür bleiben, Orte, wo quasi die Platzhirsche ihre Geweihe an den Zaun hängen können und zur Ruhe kommen.
Neue Kräfte schöpfen
Es gibt im Leben eines Mannes noch andere Werte als die Arbeit. Die Wiederentdeckung echter Muße könnte ein Gegengift sein. Sie schafft Abstand und Besinnung, gibt neue Visionen und Kraft zur Veränderung. Wer nicht genießt, wird bekanntlich selber ungenießbar. Vom Schriftsteller Milan Kundera stammt der schöne Satz: “ Wer Gott ins Fenster geschaut hat, langweilt sich nie.“ Was anderes ist Muße, als Gott ins Fenster zu schauen? Benedikts alte Formel “ Bete und arbeite“ könnte für uns heute lauten: Arbeite nicht nur, sondern schau zwischendurch auch Gott ins Fenster! Der Mann lebt nicht vom Job allein.